Case #7 - Der Geber und der Marmor


Changchang war in ihren 50-ern. Sie war eine sehr liebe Person. In der Tat, sie nahm immer Rücksicht auf alle um sich herum. Sie verriet mir aber, dass sie in ihrer Ehe unglücklich war. Sie fühlte sich nicht erfüllt, sie war einsam. Es stellte sich heraus, dass obwohl sie viele Freunde und soziale Beziehungen hatte und auch sehr angesehen war, fühlte sich trotzdem unglücklich und einsam.

Ich nahm mit ihr einen unmittelbar dialogischen Stil auf. Ich sagte ihr: „Ich fühle mich sehr angenehm in deiner Anwesenheit. Es scheint mir so, dass du sehr verzeihend bist und ich habe viel Raum, ich selbst zu sein und du wirst mich akzeptieren." Sie war einverstanden – das war genau, wie sie mit Menschen umging.

Ich sagte ihr wie sehr ich dieses Gefühl genoss, und zwar das Gefühl der Sicherheit. Sie nickte und sagte, das war sicher für sie. Ich erklärte ihr, wie ich mir vorstellen könnte, aus diesem Gefühl möglicherweise Vorteil zu ziehen; sie anvertrauen, sich an sie lehnen und ihre Wärme akzeptieren. Als ein Therapeut war es ein bißchen schwierig für mich, in der Position der Autorität oder des Experten zu bleiben, oder einfach etwas ihr zu geben. Und zwar darum, weil ich mein eigenes Bedarf angesichts ihrer Großzügigkeit erscheinen spürte.

Sie nickte – Changchang konnte all dies erkennen, obschon das so direkt in Worten selten ausgedrückt wurde. Ich bemerkte auch, dass ich mich irgendwie ein bißchen unangenehm fühlte, das schwer zu definieren war. Changchang wollte nur geben und sie hatte viel zu geben. Aber war sie imstande, irgendwas zu bekommen? Konnte sie etwas von mir annehmen?

Tränen kamen in ihren Augen. Sie behauptete, es war schwierig für sie. Ich war auch von dem Moment berührt. Wir blieben in Stille in diesem emotionalen Kontakt eine Weile. Aber sie konnte von mir nichts annehmen. Sie war fast gezwungen zug eben. Es war nicht ausgeglichen.

Ich rückte also mit einer Gestalt-Übung aus. In dem Raum fand ich einige sehr schönen aus Glass gefertigten Marmorstücke, die ich auf meine Hände legte. Danach sagte ich Changchang folgendes: „Ich gebe dir einzeln ein Marmorstück. Ich will, dass du es von mir wirklich annimst, als ob du ein Geschenk bekommen würdest."

Sie stimmte zu und wir tat das. Ich machte es sehr langsam, inzwischen sah ich Changchang an, damit ich wusste, dass sie es von mir tatsächlich annimmt. Sie zitterte, ihre Verwundbarkeit kam hervor, sie weinte, als sie die einzelnen Marmorstücke nahm.

Sie sagte, es war seit langem die erste Gelegenheit, dass sie etwas von einer anderen Person wirklich annehmen konnte. Sie war immer der Geber und so kam sie auf ihre Erkenntnis. Letztendlich war das aber leer, weil 'the flow' einbahnig war; als Ergebnis neigten die Beziehungen zu stagnieren. Daraus kam ihre Einsamkeit, trotz ihrer Angesehenheit und seiner vielen Freunde. Hier nutzte ich meine eigenen Erfahrungen in der Dialog. Anstatt über den Rest ihres Lebens zu diskutieren, brachten wir es in die Gegenwart und die Übung ging zwischen uns vor. Ihre neue Erfahrung war möglich, weil ich mich ebenso wie sie sich selbst einsetzte. Ich brachte das Bewusstsein in eine relationale Transaktion hinein, die normalerweise automatisch funktionierte und außerhalb des Bewusstseins war. Damit ich meine eigene Erfahrung hineinbrachte (anstatt Recht zu sprechen), konnte sie das akzeptieren und sich für etwas anderes eröffnen.



 Eingestellt von  Steve Vinay Gunther